Ist der Brauch mit den Hochzeitstauben Tierquälerei oder nicht? Dazu findet man im Web diverse Berichte, wobei der grössere Teil davon ausgeht, dass der Einsatz von Tauben am Hochzeitstag Tierquälerei bedeutet. Da wir selber zwar Tierfreunde aber keine Fachpersonen zu diesem Thema sind, haben wir eine Fachperson kontaktiert und zum Thema befragt.
Interview mit Dr. sc. nat. Samuel Furrer vom Schweizer Tierschutz:
Chris "Herr Furrer, ich habe in der Schule einmal gelernt, dass Tauben einen unheimlich guten Orientierungssinn haben. In den Berichten, die Hochzeitstauben als Tierquälerei bezeichnen, wird jedoch behauptet, dass dies ein Irrglaube sei und Tauben gar keinen so guten Orientierungssinn haben und durch das oft gar nicht nach Hause finden. Was stimmt denn nun?"
Dr. Furrer "Das ist abhängig von der Taubenrasse. Brieftauben haben sicherlich einen sehr guten Orientierungssinn. Rassetauben aus speziellen Zuchtlinien, die auch nie Freiflug erhalten, sind da weniger begabt."
Chris "In Berichten im Web werden Verluste durch Greifvögel oft erwähnt. Ich liebe zwar Tiere aber so etwas sehe ich als Natur an und die ist eben hart. Füchse holen sich Hühner oder Kaninchen aus Gehegen, da spricht auch niemand von Tierquälerei. Tauben wären ja nur sicher, wenn sie ihr Leben lang in Käfigen gehalten werden, was vielen Tierschützern ja auch wieder ein Dorn im Auge ist. Nun haben sie Freiflug und das ist auch wieder nicht recht. Ist es denn nicht schön für die Tiere, zwischendurch richtig fliegen zu dürfen? Oder liege ich da komplett daneben? "
Dr. Furrer "Das mit den Hühnern oder Kaninchen stimmt so nicht Ganz. Natürlich kann das passieren. Geschieht es aber beim gleichen Halter immer wieder, schützt er seine Tiere nicht richtig, was vorsätzliche Tierquälerei wäre. Doch zurück zu den Tauben. Freiflug gehört bei Brieftauben dazu, da bin ich mit Ihnen einverstanden. Wenn es lokal aber starke Einwirkungen von Greifvögel hat, dann sollten Anpassungen unternommen werden. Allenfalls macht es auch Sinn, die Tauben während einer gewissen Zeit in der Voliere zu behalten. Das wird zT auch so gemacht. Die Verantwortung über die Tiere hat nunmal der Halter selber."
Chris: Die Witwermethode wird oft erwähnt. Das Taubenpaar, welches dem Hochzeitspaar übergeben wird, ist selber gar kein Paar. Es handelt sich um ein getrenntes Paar. Deren richtige Partner warten im Taubenschlag. Damit will man erreichen, dass die Tiere schneller zurück nach Hause fliegen. Ist das nicht Tierquälerei?"
Dr. Furrer "Ich habe dazu keine Literatur, die die Belastung für die Tiere untersucht hat."
Chris "Die Tiere werden oft in engen Kästen an Hochzeiten gebracht. Ist diese Transportart für die Tiere angemessen?"
Dr. Furrer "Kurzzeitig können sie in kleinen Transportkäfigen gehalten werden. Der Transport und die Haltung in der engen Kiste ist sicherlich belastend für das Tier. Ein sorgsamer Umgang ist hier wichtig und dass das Ganze so kurz wie möglich dauert."
Chris "Bei Tieren wie Katzen oder Hunden sieht man, ob sie gerne angefasst werden oder nicht. Viele geniessen ja ihre Streicheleinheiten. Vögel allgemein sind für mich als Laien «ausdruckslose» Tiere, sprich ich habe keine Ahnung, geht es dem Tier jetzt grad gut oder nicht. Ist das so einer Hochzeitstaube egal, ob sie nun von fremden Menschen in die Hände genommen wird oder ist das Stress?"
Dr. Furrer "Gut ‘trainierte’ Tauben können vom Halter recht einfach gepackt werden und verhalten sich dann auch ruhig in den Händen. Der Umgang mit den Tieren will aber gelernt sein. Unsachgemässe Handhabung verursacht sicherlich Stress, Angst oder gar Schmerz bei den Vögeln."
Chris "Kurz und knapp, ist das Steigenlassen von Hochzeitstauben grundsätzlich immer eine Tierquälerei?"
Dr. Furrer "Ich kenne keine Zahlen zu Verlusten oder Verletzungen bei solchen Anlässen, an denen es ja meist nur um das Gaudi geht. Werden dann noch weisse Tauben eingesetzt, dann steigt das Risiko, dass diese von Greifvögeln erspäht und geschlagen werden. Der Einsatz von Tauben nur zur Belustigung ist sicherlich nicht angebracht, wenn das Risiko besteht, dass Tiere dabei sterben"